Ein Schnitt muss her
Der Trend der letzten Jahre zeigt deutlich, dass viele Garten- und Grünflächenbesitzer nicht nur durch die Erholung und Abwechslung vom eigenen Garten profitieren, sondern auch der Selbstversorger mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Eigenes Obst und Gemüse aus dem heimischen Garten? Wieso denn nicht. Bäumchen kaufen, pflanzen und dann kommen bestimmt auch schon die ersten eigenen Früchte. Doch oft wird einer der wichtigsten Faktoren in Sachen heimische Ernte vergessen – der Obstbaumschnitt.
Der Obstbaum steht bereits im Garten? Perfekt. Doch was ist das? Hängende, kranke Äste, die durch die Last der kümmernden Früchte drohen zu brechen. Oder ein viel zu großer, unübersichtlicher Obstbaum, der schon lange kein Schnittwerkzeug mehr gesehen hat. Auch hier zaubert man mit den richtigen Schnittmaßnahmen einen vitaleren und kräftigeren Baum, der die gewünschten Früchte problemlos trägt.
Durch gezielte Eingriffe fördert man zudem die Fruchtbildung und die Vitalität des Baumes. Klingt gut? Ist es auch – vor allem für den Obstbaum und den zukünftigen Obstbauern. Also nichts wie ran an die Schere!
Gutes Werkzeug für einen guten Schnitt
Schere? Säge? Oder doch eine Astkneife?
Egal welche Utensilien eingesetzt werden, die wichtigste Regel sollte sein, dass die Werkzeuge scharf und vor allem sauber sind. Das beugt ausgefransten Schnittstellen und die Übertragung von Bakterien und Pilzen vor, die möglicherweise noch vom vorherigen Schnitt am Werkzeug haften.
Rosenscheren sind für die kleinen Äste vorgesehen, Zweihand-Astscheren schon für dickeres Gehölz und Astsägen werden ab einer Stärke von ca. 30mm genommen.
Weitere Infos rund um das Thema Werkzeug beim Gehölzschnitt finden sich hier: https://www.dictum.com/de/blog/werkzeugwissen/werkzeuge-fuer-den-baumschnitt
Der ideale Zeitpunkt
Um zu wissen, wann man mit Rosenschere, Astsäge und Co. anrücken darf, sollte man wissen, dass Obstgehölze ihre Wunden am Besten im Mai bis Juli verarbeiten können. Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Schnitt kurz vor dem Laubaustrieb = Spätwinter, am besten ist. Dies gilt für Äpfel und Quitten, welche ab Januar bis März problemlos beschnitten werden können. Temperaturen bis -5 Gras Celsius sind dabei völlig okay.
In der Ruhephase, also im Winter, lagern die Bäume Reservestoffe überwiegend in der Wurzel ein, welche dann im Frühjahr bei steigenden Temperaturen wieder hoch in die Äste für den bevorstehenden Neuaustrieb geleitet werden. Schon im Spätsommer nach der Ernte lagern sich die Reservestoffe wieder in die Wurzeln ein. Ein Baumschnitt ab September schwächt also Obstbäume.
Ein weiterer Punkt für den Schnitt im Spätwinter ist, dass die Baumkrone noch übersichtlich ist.
Auch der Gesetzgeber sieht vor das vom 1.03. bis 20.09. keine starken Schnittmaßnahmen an Gehölzen, Sträuchern etc. vorgenommen werden dürfen aufgrund der Vogelschutzzeit. *
Kleinere Schnitte innerhalb dieser Zeit sind in Ordnung, solange kein Vogel im Baum brütet.
Doch wie sieht es aus mit anderen Obstsorten?
Kirschen sollten am besten im Sommer/Spätsommer nach der Ernte geschnitten werden, da diese zu den starkwüchsigen Bäumen gehören. Doch was genau empfiehlt sich hier an Schnittmaßnahmen? Die Krone sollte stets licht gehalten werden. Totholz und störende Äste sowie Wasserschosser sollten entfernt und die Krone sollte möglichst rund gehalten werden.
Pfirsiche werden am besten im April oder Mai geschnitten.
Auch zu den Obstgehölzen gehört die Walnuss. Dieser Baum gehört zu der Gruppe der Bluter, das bedeutet, bei Schnittmaßnahmen im Winter tritt aus den Schnittstellen Wasser raus, dass durch einen zu hohen Druck in der Wurzel aus den Ästen rausgepresst wird. Kurz nach dem Blattaustrieb, sobald die Blätter voll ausgebildet sind, ist das Wasser in den Trieben nun in den Blättern und der Baum kann ohne zu „bluten“ geschnitten werden.
Weitere Bäume wie Pflaumen, Mirabellen und Renekloden sollten regelmäßig beigeschnitten werden, damit keine starken Schnittmaßnahmen erfolgen.
Einen stärkeren Schnitt brauchen dagegen Pfirsiche, Aprikosen und Sauerkirschen, da diese schnell vergreisen.
Das Warum
Doch was genau kann man mit einem richtigen Schnitt alles bewirken? Zum einen wird bewirkt, dass das Obst durch den gezielten Schnitt gefördert wird, denn durch das Entfernen von alten Trieben wird die Fruchtbildung angeregt. Ohne einen Schnitt leidet das Obst langfristig, da meist zu viele Früchte am Ast hängen und dieser zu brechen droht. Ein weiterer Effekt ist, dass die Gesundheit des Baumes gefördert wird und mögliche Krankheitserreger wie Pilze, Schorf, Flechten oder Läuse zum Teil vorgebeugt werden. Indem man gezielt störende Äste entfernt, kommen genügend Luft und Sonne in die Baumkrone, welche zum idealen Wachstum beitragen.
Die Praxis
Es wird unterschieden in vier verschiedene Schnittarten, die sich nach dem Alter des Baumes angewandt werden.
- Junge Bäume: diese sollten jedes Jahr geschnitten werden, um eine gute Krone auszubilden, dies bildet das Grundgerüst, um später stabil zu stehen und gut tragen zu können = Pflanz- & Erziehungsschnitt
- Alte Bäume: Verjüngungs- oder Erhaltungsschnitt
Name | Beschreibung |
Pflanzschnitt | Für die Bildung stabiler Tragäste und fruchtbare Seitentriebe.Diese Phase dauert 3-7 Jahre |
Erziehungsschnitt | Ausgleich zwischen Wachstum und Fruchtbildung .Leichtes Auslichten der Krone, Totholz entfernen, Krone formen. Meist im Sommer |
Erhaltungsschnitt | Sollte durchgeführt werden, wenn das Gehölz im Ertrag oder der Fruchtqualität nachlassen / an Vitalität nachlassen. Leittriebe werden eingekürzt (bilden spätere Krone).Circa um die Hälfte (schwache Triebe) bis 1/3 (starke Triebe).Restliche Äste unter der künftigen Krone werden am Mitteltrieb entfernt .Nach innen wachsende Triebe entfernen. Mitteltrieb einkürzen, senkrechte Wasserschosse/ Konkurrenzzweige am Mitteltrieb entfernen. Erfolgt im Spätwinter |
Verjüngungsschnitt | Alte, stark verzweigte Astpartien rausschneiden. Auslichten der Krone. Alte, hängende Fruchtäste werden entfernt. Die sich später bildenden Wasserschosse sollten entfernt werden. Im Jahr danach sollte wieder ein Erhaltungsschnitt folgen |
Begriffserklärung
Mitteltrieb = vom Stamm her laufender Trieb der grade nach oben geht
Leitäste/ Leittriebe = gehen vom Mitteltrieb weg und sollten auf gleicher Höhe sein, damit sich Baum gleichmäßig ausbilden kann
Wasserschosse/Wassertriebe= durch (Starke) Schnittmaßnahmen bilden Bäume senkrecht hochgehende Triebe, da sie überschüssige Kraft ableiten müssen.
Vogelschutzzeit = in NRW vom 01.03. bis zum 30.09. festgelegt durch das Bundesnaturschutzgesetz, damit Vögel und andere Wildtiere in Ruhe brüten können. In der Zeit sind aber noch Form- und Pflegeschnitte erlaubt, genauso wie Schnittmaßnahmen die zur Vitalität der Bäume beitragen (zum Beispiel Totholz entfernen).
Oft greift auch die örtliche Baumschutzsatzung.
Mehr dazu hier: https://www.umwelt.nrw.de/naturschutz/natur/biologische-vielfalt-und-biodiversitaetsstrategie-nrw/gehoelzpflege/
* Mehr dazu hier: https://www.umwelt.nrw.de/naturschutz/natur/biologische-vielfalt-und-biodiversitaetsstrategie-nrw/gehoelzpflege/